Liebe Freunde,

das Evangelium des heutigen Sonntags erinnert uns an die Barmherzigkeit Gottes und mahnt uns, selbst barmherzig zu sein:

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben. Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch zumessen. Er sagte ihnen aber auch ein Gleichnis: Kann denn ein Blinder einem Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen? Ein Jünger steht nicht über dem Meister; wer aber alles gelernt hat, der ist wie sein Meister.

Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge, aber den Balken im eigenen Auge nimmst du nicht wahr? Wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt still, Bruder, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen, und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen.“ (Lukas 6,36-42)

Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Barmherzigkeit ist nicht Nachgiebigkeit aus Schwäche. Barmherzigkeit ist auch nicht eine Zustimmung zur Sünde oder eine Bagatellisierung der Sünde. Barmherzigkeit, wie Gott sie übt, bedeutet, dem Sünder das Angebot der Umkehr zu machen, ihm dabei nach Kräften behilflich zu sein und ihn dann wieder als Bruder anzunehmen, so wie Gott ihn als Kind angenommen hat (vgl. das Gleichnis vom barmherzigen Vater, Lukas 15, 11-32).

Dabei müssen wir immer auch im Blick behalten, dass wir selbst Sünder sind, die Gottes Barmherzigkeit nötig haben. Wir sollten stets darauf bedacht sein, den Balken in unserem eigenen Auge zu registrieren, bevor wir uns über die Splitter im Auge unserer Mitmenschen aufregen.

Diese Haltung ist übrigens nicht nur in religiöser Hinsicht, sondern auch in weltlichen Dingen von großem Nutzen. Wir neigen dazu, andern die Schuld zu geben, wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir sie gerne hätten: dem Staat, der Regierung, den Medien, den Vorgesetzten, den Kollegen, den Kunden, unseren Eltern, unseren Ehepartnern usw. usw. Dabei sollten wir eines bedenken: Wem wir Schuld geben, dem geben wir Macht! Wenn wir alle Verantwortung auf andere abwälzen, dann machen wir uns selbst ohnmächtig.

All diese äußeren Umstände können wir nicht ändern.

Uns selbst jedoch können ändern. Wenn wir die Verantwortung für unser Tun selbst übernehmen, dann werden wir uns verbessern und dann können wir auch andern helfen, sich zu verbessern. Erfolgreiche Menschen verschwenden nicht viel Zeit damit, über die Umstände zu lamentieren, sondern packen das an, was ihnen möglich ist.

Freuen wir uns also, dass wir einen barmherzigen Vater im Himmel haben und erweisen wir uns als seine wahren Kinder, indem wir selbst barmherzig sind.

Ihnen und Ihren Familien einen frohen und gesegneten Sonntag

Ihr

Joachim Kuhs