Brüssel, 01.09.2020 Ein Buch von AfD-Politikern besprechen – soll ich das wirklich tun? Mir ist klar: Dazu gehört Mut. „Mut zur Wahrheit“ – wie der Titel des betreffenden Buches lautet. Denn sofort wird ein Aufschrei von vielen Seiten kommen: „Wie kannst Du so etwas tun?! Weißt Du denn nicht, dass die Alternative für Deutschland eine rechtsextreme Partei ist?“
Nun, mit Extremismus jeder Art – sei es von links oder von rechts – habe ich als Christ nichts am Hut. Extremismus geht immer in Richtung Fanatismus und wirkt zerstörerisch. Extremismus jeder Art lehne ich konsequent ab!
Ferner: Ich bin parteilos und war weder Mitglied der Grünen noch der ÖDP noch der PBC noch der AfD, obwohl ich in meinen verschiedenen Lebensabschnitten mit allen diesen Parteien Kontakt hatte. Ich habe mich jedoch mit diesen allen konstruktiv-kritisch auseinandergesetzt, auch mit der AfD.
Warum schreibe ich jetzt trotzdem eine Rezension zu einem Buch, das von Verantwortungsträgern der AfD herausgegeben wird? Ich tue es aus „Liebe zur Wahrheit!“
Der Untertitel des Buches lautet: „Warum die AfD für Christen mehr als eine Alternative ist“. Die Autoren sind: Joachim Kuhs, Mitglied des EU-Parlaments und Sprecher der „Christen in der AfD“, Volker Münz, kirchenpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, sowie der Sprachwissenschaftler Holger Schmitt. Die Autoren Kuhs und Münz sind mir persönlich als überzeugte Christen bekannt – von daher war ich gespannt, ihr Buch zu lesen.
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Im ersten Beitrag „Die Blase: Wie Medien unsere Wahrnehmung bestimmen“ weist der Sprachwissenschaftler Schmitt anhand zahlreicher Beispiele nach, wie heute durch gezielte Wortwahl, Themenauswahl, Blickfeldverengung, Zeugenauswahl, Verleumdung, Zitatverdrehung, Doppelmoral und die „Nazi-Keule“ unpopuläre Meinungen, die nicht in den linken Mainstream passen, in die rechtradikale Ecke gedrängt werden, auch wenn sie gar nicht rechtsradikal, sondern einfach nur christlich oder konservativ sind.
Schmitt zitiert Josef Kraus, den ehemaligen Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, der schrieb:
„Wenn die Argumente ausgehen, wird moralisiert und denunziert. Entsprechende Etikettierungen helfen dabei: Rechter, Populist, Nazi, Antifeminist, homophob, xenophob, islamophob, Sexist, Pack, grölender Mob, Wutbürger, Brandstifter, Dunkeldeutscher.“ (Seite 24 f.).
Schmitt selber warnt vor dem inflationären und unzutreffenden Gebrauch derartiger Totschlag-Begriffe:
„Die Nazikeule trifft fast immer Leute, die mit Nazitum nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Da diese Keule eine Maximalkeule ist, ist es auch eine maximale Schande, Menschen damit zu belegen, die zum großen Teil sogar dezidiert anti-totalitaristisch eingestellt sind. Ein weiteres Problem ist, dass der inflationäre Gebrauch der Begriffe rund um das Nazitum durch die ständige Erweiterung der Kontexte, in denen solche Wörter benutzt werden, dazu führt, dass die von den Nazis tatsächlich begangenen Gräuel relativiert und verharmlost werden. Wenn heute ein Überlebender des Holocausts mitkriegen würde, wie leichtfertig das Wort Nazi verwendet wird – es würde uns nicht wundern, wenn ihm das übel aufstoßen würde. Dieser gedankenlose Gebrauch der Nazi-Terminologie missbraucht sein Leiden und das von Millionen seiner Glaubensgeschwister als rhetorisches Schock-Element. Am Ende bedeutet Nazi nicht viel mehr als ‚Mensch, der nicht mit linken Ideologien übereinstimmt‘. Irgendwann wird man keine ausreichend scharfen Wörter mehr haben, wenn es um wirkliche Rechtsextremisten geht. Der Historiker Karlheinz Weißmann machte deshalb sogar einmal den Vorschlag, in analytischen Texten für mindestens zehn Jahre auf die Begriffe ‚Rechtsradikaler‘ und ‚Rechtsextremer‘ zu verzichten“ (Seite 49).
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Als Freund Israels und des jüdischen Volkes stimme ich dieser Argumentation ungeteilt zu: Die schrecklichen Verbrechen der Nazis dürfen auf keinen Fall relativiert und mit allem und jedem, das einem ideologisch nicht passt, in einen Topf geworfen werden. Das führt zu einem inflationären Sprachgebrauch.
Aus christlicher Sicht stimme ich den Autoren und Herausgebern des Buches auch darin zu, dass sie immer wieder betonen: Die politische Auseinandersetzung sollte zu einem sachlichen und themenorientierten Stil zurückkehren und nicht unter die Gürtellinie des politischen Gegners zielen! Allerdings meine ich: Das sollten sich Politiker aller Parteien und freilich auch AfD-Politiker selber ins Stammbuch schreiben, denn nicht selten lassen diese sich ebenfalls zum Polemisieren hinreißen, was manche Bundestagsreden belegen! Freilich ist es nicht einfach, auf gehässige Verleumdungen mit Sachlichkeit zu antworten, aber dies wäre der einzige Weg für alle Seiten, um zu einer wirklich sachlichen und konstruktiven Debatte zurückzukehren.
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Im 2. und 3. Beitrag widmen sich die Autoren Themen, die besonders Christen betreffen und interessieren, nämlich den Fragen: „Christliche Politik?“ und „Der Inhalt: Wofür die AfD wirklich steht“.
Unter der Überschrift „Christliche Politik?“ widersprechen sie Ansichten, die unter Christen weit verbreitet sind, wie etwa: „Christen sollten sich aus der Politik heraushalten“ – oder auch der gegenteiligen Sicht: „Christliche Politik heißt, Gottes Gebote eins zu eins in Politik umzusetzen“. Stattdessen gelangen sie aufgrund ausführlicher biblischer Analyse zum nüchternen Ergebnis: „Christliche Politik ist nicht der Versuch, eine Theokratie (Gottesherrschaft) einzusetzen; zur Christusnachfolge kann, soll und darf niemand gezwungen werden. Vielmehr ist sie nach unserem Verständnis das Bestreben, bei konsequenter Beachtung der Trennung von Kirche und Staat Gesetze zu erlassen, die dem Wesen des Menschen gerecht werden, die den Werten Gottes entsprechen und die realistisch, vernünftig und fachlich gut durchdacht sind, und so zu einer Gesellschaft beizutragen, die so frei und gerecht ist, wie dies unter den jeweiligen Umständen möglich ist“ (S. 95).
Der für Christen interessanteste und umfangreichste Teil des Buches ist der Beitrag „Der Inhalt: Wofür die AfD wirklich steht“. Nachdem noch einmal die massiven Verdrehungen von AfD-Aussagen durch die von linksgerichteten Mainstream-Medien propagierte „Politische Korrektheit“ vor Augen gestellt worden sind, werden die wirklichen Ziele der AfD anhand ihrer Programmatik vorgestellt und aus biblischer Sicht beleuchtet. Dabei ergeben sich zum Teil große Schnittmengen zwischen dem AfD-Programm und dem christlichen Glauben, etwa in den Punkten: Ablehnung des Globalismus und antichristlichen Welteinheitsstaates, Schutz des Bargeldes (auch im Blick auf das Malzeichen des Tieres aus Offenbarung 13!), Ablehnung der Auflösung der Geschlechter durch Gender Mainstreaming, Schutz der klassischen Ehe und Familie, Schutz des Erziehungsrechts der Eltern, Kampf für das Lebensrecht der Ungeborenen, Einsatz für verfolgte Christen und gegen Islamisierung, Appell zu einem differenzierten Umgang mit Betroffenen in der Migrationsproblematik.
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Die Autoren schreiben zum Beispiel im Blick auf das Thema Christenverfolgung: „Wir glauben, dass es wichtig ist, verfolgte und diskriminierte Christen im Kleinen wie im Großen zu unterstützen. Gebet, Informationsarbeit, Spenden und die politische Arbeit jedes Einzelnen – sei es durch Aktionen in der Gemeinde für verfolgte und diskriminierte Christen, das persönliche Wahlverhalten oder gesellschaftspolitischer Arbeit auf höherer Ebene – sind notwendig, um den verfolgten und diskriminierten Christen zu helfen, seien sie in fernen Ländern oder hier in Europa. Nichtchristen müssen aufgefordert werden, Religionsfreiheit für alle Menschen zu gewährleisten, so wie dies in sämtlichen christlich geprägten Staaten der Fall ist. … Neben Reden und Anfragen im Bundestag und im Parlament der Europäischen Union … hat die AfD bereits mehrfach Anträge bezüglich Christenverfolgung eingebracht. In dem Antrag ´Christenverfolgung stoppen und sanktionieren` der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag hat die AfD die anderen Parteien im Bundestag und die Bundesregierung aufgefordert, alljährlich einen Bericht zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu erstellen, der insbesondere auf die Lage der christlichen Minderheiten eingeht. … Dieser Antrag der AfD-Fraktion wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt – auch von der CDU/CSU“ (Seite 218-220).
In dem Beitrag „Was es kostet, gegen den Mainstream zu schwimmen“ wird gezeigt, wie massiv Politiker und andere Menschen diskriminiert und verfolgt werden, nur weil sie sich zur Politik der AfD bekennen. Einige Beispiele: „Laienprediger darf nicht mehr auf die Kanzel.“ – „Frau von AfD-Politiker wird vom Deutschen Roten Kreuz gekündigt.“ – „Morddrohungen gegen Politikersohn.“ – „Linksextremisten beschmieren Gasthäuser.“ – „Beschädigung von Wahlplakaten.“ – „Beatrix von Storchs Privatauto niedergebrannt.“ – „AfD-Plakatierer beschossen. – „AfD-Jungpolitiker durch Angriff am Kopf verletzt.“
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Solche Gewalttaten werten die Autoren als Folge der Hetze durch die überwiegend linkslastigen Medien in Deutschland und ihre einseitige Berichterstattung. Dadurch entsteht bei vielen Bürgern ein Klima der Einschüchterung und Angst, was letztlich das Ziel solcher Angriffe ist. Dadurch aber gerät die Demokratie mehr und mehr in Gefahr!
Im letzten Betrag unter der Überschrift „Es geht um mehr“ werden grundsätzliche Dinge noch einmal zusammengefasst:
„Wenn Sie dieses Buch bis hierhin gelesen haben, ist Ihnen vielleicht bewusst geworden, dass es um mehr geht als um eine Partei oder auch nur um einzelne politische Positionen. Wir leben in einer Zeit, in der die Ordnungen Gottes für Mensch und Gesellschaft immer mehr unter Druck geraten und ausgehöhlt werden. Mann, Frau, Ehe, Familie, Volk, Nation, Leben und Freiheit – Identitäten, Werte und Institutionen, die bislang als selbstverständlich galten, sind mittlerweile bestenfalls zur Option degradiert worden; schlimmstenfalls sieht man sie als die Ursache mancherlei Übels. Auf der anderen Seite werden Strukturen aufgebaut, die zu einer Diktatur und einem Totalitarismus führen können. Politische Korrektheit als moralisches Druckmittel, gefolgt von juristischen Regelungen wie dem neu eingeführte Delikt der ‚Hasskriminalität‘, das beliebig gefüllt werden kann, schleichende Bargeldabschaffung und die damit verbundene Möglichkeit der totalen Kontrolle – all dies lässt nichts Gutes erahnen.“ (S. 280).
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Aber man sollte als Christ – und darin stimme ich den Autoren zu – diese Entwicklungen nicht einfach so hinnehmen: „Wir brauchen heute Menschen, deren Blick über das hinausgeht, was uns die Mainstream-Medien bieten. Menschen, die die Entwicklungen unserer Tage im Licht der Bibel einschätzen können … Wir brauchen darüber hinaus Menschen, die bereit sind, sich dem Zeitgeist entgegenzustellen“ (S. 283).
Meine Meinung: Die AfD ist keine dezidiert christliche Partei (das wird von den Verfassern dieses Buchs auch nicht behauptet). Dazu ist sie zu groß und versammelt unter ihrem Dach zu viele unterschiedliche Personen und Strömungen. Darunter auch solche, deren Lebensstil und Äußerungen Christen durchaus Bauchschmerzen verursachen können! Es gibt ohnehin in dieser gefallenen Welt keine „christliche“ Politik, höchstens christliche Werte, denen sich die Politik annähern kann.
Aber die AfD vertritt momentan noch in ihrem Programm (nicht durch alle ihre Vertreter!) eine Politik, die den Zehn Geboten der Bibel relativ nahe kommt. Auch deshalb wird sie von Mainstream-Medien, die bereits dem endzeitlichen Zeitgeist verfallen sind, bitter bekämpft und verleumdet.
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Wie wird es mit der AfD weitergehen? Zurzeit tobt in ihr selber ein Richtungskampf – wie übrigens in jeder Partei (man denke nur an den versuchten Rausschmiss zum einen von Thilo Sarrazin aus der SPD und zum anderen der konservativen Werteunion aus der CDU). So schreiben die christlichen Autoren des Buchs „Mut zur Wahrheit“ nüchtern zum Schluss über die Zukunft der AfD – und über diese Ehrlichkeit freue ich mich:
„Identität ist fundamental wichtig: persönliche, geschlechtliche, nationale Identität. Ohne sie wird der Mensch zum Spielball der Gewalten. Wir Christen finden unsere primäre Identität jedoch weder in einem Volk noch in einer Partei. Unsere erste Loyalität gilt unserem Herrn und Retter Jesus Christus und seinem Reich. Sollte sich die Alternative für Deutschland einmal in eine Richtung bewegen, die wir nicht mittragen können, sei es, dass sie tatsächlich (und nicht zum x-ten Male von den Medien herbeigeschrieben) nach rechts abdriftet, sei es, dass auch sie sich dem Diktat der Politischen Korrektheit unterwirft, sei es, dass sie sich – aus welchen Gründen auch immer – gegen Christen wendet, so werden wir unser Engagement neu überdenken müssen. Für den Moment jedoch erscheint uns die AfD als die beste Möglichkeit, dem ‚Rad in die Speichen zu fallen‘ (Bonhoeffer)“ (S. 285).
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Dr. Lothar Gassmann, im Sommer 2020, www.L-Gassmann.de, Dr. Lothar Gassmann ist Theologe und Publizist. Er ist Autor von über 100 Büchern, die sich mit politischen Fragen und Themen des christlichen Glaubens befassen, darunter: „Was wollen die Grünen wirklich?“, „Diktatur Europa – was darf man in Europa noch sagen?“, „Alarm um die Kinder“, „Kommt Christenverfolgung in Europa?“ und „Wetterleuchten der Apokalypse“.
Hinweis: Etwaige Kürzungen und Änderungen des Textes dürfen nur im Sinne des Verfassers vorgenommen werden. Veröffentlichungen und Weiterverwendungen sind nur mit Quellenangabe erlaubt! Anfragen bitte an den Verfasser: Dr. Lothar Gassmann, l-gassmann.de, E-Mail: Logass1@t-online.de