Liebe Mitbürger,
am morgigen 22. Februar jährt sich die Hinrichtung Hans Scholl, Sophie Scholl und Christoph Probst. Weitere Mitglieder der studentischen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ wurden in den folgenden Wochen ebenfalls verhaftet und hingerichtet.
Die Geschwister Scholl waren in einer christlichen Familie aufgewachsen. Ihre Eltern hatten sie zu selbständigen und selbst denkenden Menschen erzogen. Dies führte zu Beginn der NS-Diktatur zu heftigen Auseinandersetzungen im Hause Scholl: Denn Hans und Sophie wollten gegen den erklärten Willen ihrer Eltern in die Hitlerjugend bzw. den Bund Deutscher Mädel eintreten.
Die Verführungskraft der NS-Propaganda gerade auf die Jugend war ungeheuerlich. Als Patrioten wollten Hans und Sophie bei diesem angeblichen Aufbruch Deutschlands in eine bessere Zukunft dabei sein, diese mitgestalten. Beide übernahmen dann auch Führungsaufgaben in HJ und BDM. Jugend und Idealismus können von verbrecherischen Ideologien verführt und fürchterlich missbraucht werden.
Doch die Eigenständigkeit und Freiheitsliebe, zu denen sie ihre Eltern erzogen haben und die sich zunächst gegen die Eltern gewandt hatte, ließen mit der Zeit Hans und Sophie das NS-Regime samt aufgesetztem nationalem Pathos durchschauen. Beide suchten Gott, weil sie in ihm ein erfülltes und sinnvolles Leben zu finden erhofften. Hans schrieb kurz vor Weihnachten 1941 in einem Brief: „Ich bin erfüllt von der Freude, zum ersten Mal in meinem Leben Weihnachten eigentlich und in klarer Überzeugung christlich zu feiern. […] Ich spüre einen sicheren Hintergrund und ich sehe ein sicheres Ziel. Mir ist in diesem Jahr Christus neu geboren.“
Ihre Überzeugungen führten sie schließlich dazu, dem Nationalsozialismus Widerstand zu leisten. Sie taten dies mit den Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung standen und erregten mit ihren Flugblättern in Studentenkreisen und auch bei der Gestapo Aufsehen. Am 18. Februar 1943 wurden sie beim Verteilen von Flugblättern entdeckt und dem Rektorat überstellt – von einem Hörsaaldiener, der auch nach dem Krieg noch überzeugt war, nur „seine Pflicht getan“ zu haben.
Schon vier Tage später wurden sie gemeinsam mit Christoph Probst vom Volksgerichtshof zum Tod verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet. Probst ließ sich kurz vor der Vollstreckung des Urteils taufen. Die Freiheitsliebe und der christliche Glaube der Geschwister Scholl blieb bis zuletzt ungebrochen. Sophie Scholl schrieb „Es lebe die Freiheit“ auf die Rückseite ihrer Anklageschrift, Hans Scholl rief diese Worte kurz vor seiner Hinrichtung aus. Beide gingen gefasst und im Blick auf das ewige Leben in den Tod.
Das erste Flugblatt der Weißen Rose beginnt mit den Worten: „Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique ‚regieren‘ zu lassen.“ Das zweite berichtet über die Ermordung von 300.000 polnischen Juden: „Hier sehen wir das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen, ein Verbrechen, dem sich kein Ähnliches in der ganzen Menschheitsgeschichte an die Seite stellen kann.“ Im sechsten und letzten fordern sie „von dem Staat Adolf Hitlers die persönliche Freiheit, das kostbarste Gut des Deutschen zurück, um das er uns in der erbärmlichsten Weise betrogen hat“.
Liebe Mitbürger, der achtzigste Jahrestag des Todes von Hans Scholl, Sophie Scholl und Christoph Probst ist uns Mahnung, Auftrag und Trost. Mahnung, wie leicht ein ganzes Volk und vor allem seine Jugend von verbrecherischen Ideologen verführt werden kann. Auftrag, unsere Kinder in christlichem Glauben zu freien und selbständigen Menschen zu erziehen. Trost, weil sichtbar wird, dass Freiheitsliebe und fester Glaube immer wieder stärker sind als selbst die natürliche Furcht vor dem Tod.
Die Aufforderung des sechsten Flugblatts, „ein neues geistiges Europa“ aufzurichten, ist noch nicht erfüllt. Dieser Forderung fühle ich mich bei meiner Arbeit im EU-Parlament verpflichtet. Die Aufrichtung eines geistigen Europa, das gegen gottlose Ideologien jeder Art immun bleibt, ist der beste Weg, das Andenken der Geschwister Scholl und ihrer Freunde zu ehren.
Herzliche Grüße
Ihr Joachim Kuhs