Liebe Freunde,
Ihnen und Ihren Familien einen frohen und gesegneten Sonntag.
Kommen wir uns als Christen nicht manchmal vor, wie in der Fremde? Wir leben in einer Umgebung, in der viele unserer Arbeitskollegen, Nachbarn, Bekannten, ja sogar viele in unserem Freundeskreis und in unserer Verwandtschaft mit dem Christentum nichts am Hut haben. Die dem Glauben bestenfalls gleichgültig, schlimmstenfalls sogar feindselig gegenüberstehen. Keine Frage, die Zahl der Christen in Deutschland und in ganz Westeuropa nimmt rapide ab, da kann man sich gelegentlich schon vorkommen, wie die letzten Mohikaner.
Doch Verzweiflung oder gar Untergangsstimmung ist keine Haltung für einen Christen. Die Erfahrung in der Fremde zu sein, hat das Volk Israel schon vor über 2.500 Jahren im babylonischen Exil gemacht. Das verheißene Land war erobert worden, ein großer Teil der Bevölkerung vertrieben. Nach den Vorstellungen der damaligen Zeit war der Glaube an den Gott Israels damit erledigt. Man war der Ansicht, die Götter der einzelnen Völker seien an ihre jeweiligen Länder gebunden; ein Gott, der sein Volk nicht vor Eroberung beschützen konnte, schien offensichtlich den Göttern der Eroberer unterlegen zu sein.
Doch der Glaube Israels blühte gerade im Exil erneut auf. Mitten in einer heidnischen Umgebung traten Propheten auf, welche die Niedergeschlagenen aufrichteten und den Verzweifelten neuen Mut machten. Ein Beispiel dafür ist die heutige Lesung aus Jeremia:
„So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels, zu allen Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen: Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.“ (Jeremia 29, 4-7)
Diese Worte sind auch heute für uns in unserem „Exil“ wegweisend. Wozu Jeremia im Auftrag Gottes sein Volk damals aufforderte, gilt auch für uns: Wir sollen nicht verzweifeln, sondern unser Leben aus dem Glauben leben. Unserem Beruf gewissenhaft nachgehen, ein christliches Familienleben pflegen, unsere Kinder gut erziehen, damit auch sie gute Familien aufbauen können.
Das heißt nicht, sich in ein Schneckenhaus zurückziehen, wir sollen uns ebenfalls um die Gesellschaft und den Staat bemühen: „Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.“ Engagement in der Gesellschaft, in den Vereinen und Verbänden und auch in der Politik – je nachdem wie es die persönliche Situation erlaubt – gehören also ausdrücklich dazu.
Es braucht beides, den zeitweiligen Rückzug in eine Umgebung von Glaubensbrüdern und den mutigen Schritt nach draußen in eine ungläubige Gesellschaft. Suchen wir uns und schaffen wir uns also Freiräume, wo wir in guter Gemeinschaft mit anderen Christen unseren Glauben leben, unsere Gottesdienste feiern und unsere Kinder erziehen können! Seien wir aber auch selbstbewusst, wenn wir uns am Arbeitsplatz oder im Bekanntenkreis bewegen. Leben wir so, dass es für unsere Umgebung attraktiv ist, Christ zu sein. Geben wir ein gutes Beispiel, durch Höflichkeit und Hilfsbereitschaft. Vor allen Dingen beten wir für unsere Gemeinden und für unser Land.
Beten wir auch für alle Politiker und für die Obrigkeit, wie uns der Apostel Paulus auffordert: „So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen zuerst tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, auf dass wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit.“ (1Tim 2,1f) Eine wahrlich große Herausforderung, gerade dann, wenn uns deren Politik zuwider ist. Aber gerade dann benötigen sie unser Gebet!
Gott hat uns genau zu diesem Zeitpunkt an genau diesen Platz gestellt, an dem wir uns gerade befinden. Und wenn wir ihn bitten, gibt er uns alle Gnaden, derer wir bedürfen, um die Aufgaben zu erfüllen, die er für uns vorgesehen hat.
So wünsche ich Ihnen einen fröhlichen Sonntag.
Herzlich, Ihr
Joachim Kuhs